Elternunabhängige Förderung

Merkblatt zur elternunabhängigen Förderung nach dem BAföG

Stand: März 2024

I. Prinzip der familienabhängigen Förderung

Ein Anspruch auf Ausbildungsförderung nach dem BAföG besteht nur dann, wenn Auszubildenden die für ihren Lebensunterhalt und ihre Ausbildung erforderlichen Mittel nicht anderweitig zur Verfügung stehen. Das eigene Einkommen und Vermögen der Auszubildenden sowie das Einkommen ihrer etwaigen Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartner und ihrer Eltern sind daher in dieser Reihenfolge grundsätzlich anzurechnen (vgl. § 11 Abs. 2 BAföG).

II. Ausnahme: Elternunabhängige Förderung

§ 11 Abs. 3 BAföG enthält Ausnahmen von der elternabhängigen Förderung. Einkommen der Eltern bleibt außer Betracht, wenn Auszubildende

  1. ein Abendgymnasium oder Kolleg besuchen,
  2. bei Beginn des Ausbildungsabschnitts das 30. Lebensjahr vollendet haben,
  3. bei Beginn des Ausbildungsabschnitts nach Vollendung des 18. Lebensjahres fünf Jahre erwerbstätig waren oder
  4. bei Beginn des Ausbildungsabschnitts nach Abschluss einer vorhergehenden, zumindest dreijährigen berufsqualifizierenden Ausbildung drei Jahre oder im Fall einer kürzeren Ausbildung entsprechend länger erwerbstätig waren.

Nummer 3 und 4 gelten nur, wenn die Auszubildenden in den Jahren ihrer Erwerbstätigkeit in der Lage gewesen sind, sich aus deren Ertrag selbst zu unterhalten.

In diesen Fällen unterstellt der Gesetzgeber für die Förderung nach dem BAföG, dass die Verpflichtung der Eltern zur Finanzierung einer Berufsausbildung nicht mehr besteht, so dass die Frage der Unterhaltsverpflichtung nach den dafür maßgebenden zivilrechtlichen Grundsätzen nicht mehr zu prüfen ist; lediglich bei der Gesetzesauslegung können der Gesetzeszweck und damit der zivilrechtliche Hintergrund an Bedeutung gewinnen.

III. Zweiter Bildungsweg (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BAföG)

Junge Frauen und Männer, die nach einem Mittleren Bildungsabschluss und einer Lehre ein Abendgymnasium oder Kolleg besuchen, erhalten gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BAföG unabhängig vom Einkommen der Eltern Leistungen nach dem BAföG. Die Privilegierung der sog. Abitur-Nachholphase ist angesichts der großen Bedeutung des Zweiten Bildungsweges gerechtfertigt.

Während eines anschließenden Hochschulstudiums werden ehemalige Auszubildende eines Abendgymnasiums oder Kollegs jedoch nicht mehr elternunabhängig gefördert, es sei denn, die Voraussetzungen der anderen Ausnahmebestimmungen (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 bis 4 BAföG) liegen vor, was nicht selten der Fall ist (z. B. wegen einer längeren Zeit der Erwerbstätigkeit nach der Berufsausbildung).

IV. Dreißigstes Lebensjahr vollendet (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG)

Die Rechtsfolge der elternunabhängigen Förderung tritt ein, wenn Auszubildende überhaupt einen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

V. Zeiten der Erwerbstätigkeit (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 4 BAföG)

Nach dieser Vorschrift werden Auszubildende grundsätzlich auch dann elternunabhängig gefördert, wenn sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres oder nach der Berufsausbildung längere Zeit erwerbstätig waren. Es werden dabei typische Sachverhalte erfasst, bei denen das Gesetz unterstellt, dass Auszubildende nicht mehr mit Unterhaltsansprüchen für eine weitere Ausbildung an ihre Eltern herantreten können und es daher angebracht ist, sie elternunabhängig zu fördern.

Ein Anspruch auf elternunabhängige Förderung besteht für Auszubildende, die bei Beginn des Ausbildungsabschnitts

  • nach Vollendung des 18. Lebensjahres fünf Jahre erwerbstätig waren (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BAföG) oder
  • nach Abschluss einer vorhergegangenen zumindest dreijährigen berufsqualifizierenden Ausbildung drei Jahre oder im Falle einer kürzeren Ausbildung entsprechend länger erwerbstätig waren (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BAföG).

Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Auszubildenden in den Jahren ihrer Erwerbstätigkeit in der Lage gewesen sind, sich aus deren Ertrag selbst zu unterhalten (§ 11 Abs. 3 Satz 2 BAföG).

Von einer den Lebensunterhalt sichernden Erwerbstätigkeit im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 4 in Verbindung mit Satz 2 BAföG kann grundsätzlich nur dann gesprochen werden, wenn aus dem Ertrag der Erwerbstätigkeit auch finanzielle Vorsorge gegen die Folgen von Krankheit, Alter und Arbeitslosigkeit getroffen werden konnte (Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Familienrechtszeitschrift [FamRZ] 1992, S. 1481 [1482]).

Für das BAföG ist eine den Lebensunterhalt sichernde Erwerbstätigkeit gegeben, wenn der monatliche Bruttolohn mindestens 974,40 Euro erreicht (Bedarf nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 BAföG zuzüglich 20 %), vgl. Tz 11.3.5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum BAföG (BAföGVwV). Unerheblich ist, ob das Einkommen aufgrund einer Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung erzielt wurde.

Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BAföG müssen die Zeiten der Berufsausbildung und Erwerbstätigkeit zusammen mindestens sechs Jahre ausmachen. Nach dem Gesetz macht eine kürzere Berufsausbildung eine entsprechend längere Zeit der Erwerbstätigkeit erforderlich; eine Verlängerung der Berufsausbildung führt hingegen nicht zur Verkürzung der erforderlichen Zeit der Erwerbstätigkeit. Dies ergibt sich aus dem Zweck § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BAföG, wonach das Gesetz erst bei einer mindestens dreijährigen Erwerbstätigkeit der Auszubildenden unterstellt, dass die Eltern nicht mehr damit rechnen müssen, für eine Ausbildung ihrer Kinder noch Ausbildungskosten aufbringen zu müssen.

Nach der Rechtsprechung (BVerwG, FamRZ 1994, S. 127 [128]) ist eine die Lebensgrundlage sichernde Erwerbstätigkeit bei der Anwendung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 jedoch dann zu berücksichtigen, wenn daneben eine weitere Schulausbildung betrieben wird und die Einkünfte nicht im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses, sondern für eine arbeitsvertraglich geschuldete Berufstätigkeit erzielt werden. Ferienarbeit während der Ausbildung ist jedoch weiterhin nicht zu berücksichtigen (vgl. auch Tz 11.3.6 BAföGVwV).

Für die Berechnung der Zeit der Erwerbstätigkeit in den Fällen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 4 BAföG gilt Folgendes:

Als Zeit der den Lebensunterhalt sichernden Erwerbstätigkeit gelten die Ableistung

  1. des Wehrdienstes,
  2. des Zivildienstes,
  3. des Bundesfreiwilligendienstes,
  4. der gleichgestellten Dienste (z. B. nach § 13b Wehrpflichtgesetz, §§ 14a, 14b Zivildienstgesetz der "Entwicklungsdienst" und "andere Dienste im Ausland"),
  5. des freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres nach dem Jugendfreiwilligendienstgesetz.

Als Zeit der den Lebensunterhalt sichernde Erwerbstätigkeit gilt auch die Betreuung eines Kindes unter zehn Jahren oder eines älteren Kindes, das behindert und auf Hilfe angewiesen ist, im eigenen Haushalt. Nicht berücksichtigungsfähig sind Betreuungszeiten, neben denen gleichzeitig eine nach dem BAföG oder nach § 56 SGB III förderungsfähige Ausbildung betrieben wird.

Zu den Zeiten der Erwerbstätigkeit zählen auch Zeiten

  1. der mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit,
  2. der Mutterschutzfrist nach dem Mutterschutzgesetz,
  3. der vollen und teilweisen Erwerbsminderung
  4. der Arbeitslosigkeit, soweit während dieser Zeit nicht eine nach dem diesem Gesetz förderungsfähige Ausbildung stattgefunden hat und die auszubildende Person der Arbeitsvermittlung daher nicht zur Verfügung stand,
  5. der Teilnahme an einer nach den für den jeweils zuständigen Träger geltenden Vorschriften geförderten Maßnahmen zu medizinischen oder beruflichen Rehabilitation,
  6. der Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach den §§ 81ff. SGB III.

wenn die auszubildende Person während dieser Zeiten entsprechende Leistungen (z. B. Krankengeld, Arbeitslosengeld nach SGB I, Rente und Grundsicherung wegen Erwerbsminderung) erhielt.

Die Zeit während des ausschließlichen Bezugs von Leistungen nach dem SGB II zur Sicherung des Lebensunterhalts zählt nicht als Zeit der Erwerbstätigkeit, Tz. 11.3.6.a bleibt unberührt. Tz 11.3.5 ist anzuwenden mit der Maßgabe, dass während der in Satz 1 Buchstaben a bis f genannten Zeiten das Einkommen ohne den Zuschlag von 20 Prozent als ausreichend anzusehen ist.

VI. Elternunabhängige Förderung gem. § 11 Abs. 2a BAföG

Nach dieser Bestimmung bleibt Einkommen der Eltern ferner außer Betracht, wenn ihr Aufenthaltsort nicht bekannt ist oder sie rechtlich oder tatsächlich gehindert sind, im Inland Unterhalt zu leisten.

Unbekannt ist der Aufenthaltsort der Eltern oder eines Elternteils dann, wenn die betreffenden Auszubildenden und das Amt für Ausbildungsförderung ihn nicht kennen und auch trotz gehöriger Anstrengung nicht in der Lage sind, ihn zu ermitteln (vgl. Tz 11.2a.1 BAföGVwV).

Ein Hinderungsgrund im Sinne des Abs. 2a liegt z. B. vor, wenn

  • Devisenbestimmungen eines ausländischen Staates einer auch nur teilweisen Unterhaltsleistung entgegenstehen,
  • die im Heimatland verbliebenen Eltern bei finanzieller Unterstützung der auszubildenden Person selbst politische Verfolgungsmaßnahmen oder Folgen befürchten müssen, die ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AuftenthG begründen würden,
  • glaubhaft gemacht wird, dass der Aufenthaltsort der auszubildenden Person nicht bekannt werden darf, weil sie nachweislich mit schweren Straftaten bedroht wird, insbesondere bei Gefahr für Leib und Leben oder Zwangsverheiratung (vgl. Tz 11.2a.3 BAföGVwV).

 

Ansprüche können aus dem Inhalt dieses Merkblattes nicht hergeleitet werden. Es gelten allein die gesetzlichen Bestimmungen.